Erster Gipfelversuch am Elbrus

19. August 2010:

1:45 Uhr! Unser Guide Andreas kommt vorbei und weckt uns. In der Nacht war ich des Öfteren munter und auch mal draußen vor der Hütte. Der Himmel war klar, die Sterne funkelten und der Wind hielt sich in Grenzen. Deshalb war ich guter Hoffnung, dass das Wetter stabil bleibt.

Erster Gipfelversuch
Erster Gipfelversuch

Doch jetzt erst mal rein in die Sachen und noch schnell etwas gefrühstückt. Mehr als warmen Tee und ein bisschen Brot bekomme ich allerdings noch nicht runter.

Andreas, Dieter und Hans-Gerhard haben sich unterdessen entschieden gar nicht erst mitzugehen. Sie sind in Ihren Schlafsäcken geblieben.

Wir anderen machen uns nach dem Frühstück endgültig bereit. Mittlerweile sind auch ein paar Wolken dazugekommen und der Wind wird bereits wieder stärker. Doch Oxana und Andreas haben beschlossen, trotzdem einen Gipfelversuch zu wagen.

In voller Montur mit Steigeisen und Klettergurt warten wir im Scheine unserer Stirnlampen vor der Prijut 11 auf Oxana. Mittlerweile ist es kurz vor 3:00 Uhr als wir endlich losgehen.

Denn Beginn des Weges kennen wir ja bereits. In Serpentinen geht es wieder Richtung Pastuchovfelsen. Die Nacht war kalt und der Neuschnee ist festgefroren. Deshalb läuft es sich recht gut. Nur wenn wir etwas abseits der Spur der Pistenraupen kommen, sinken wir manchmal doch etwas tiefer ein.

Auf dem ganzen Weg verteilt sehen wir den Lichtschein der einzelnen Stirnlampen. Es sind noch weitere Gruppen unterwegs. Die ersten Pistenraupen überholen uns. Sie bringen Gruppen bis in die Höhe der Pastuchovfelsen. Diese wollen sich einen Teil des Weges sparen und starten Ihren Fußmarsch erst von dort.

Nach einer Stunde machen wir die erste Pause. Es ist kalt, der Wind pfeift und weht uns Schnee und Eis ins Gesicht. Ich komme mit meiner extra erworbenen Sturmhaube nicht richtig klar. Wenn ich den Mundschutz vor dem Gesicht habe, atmet es sich schwer. Also schiebe ich ihn runter, dann wird’s aber kalt.

Der Sturm wird immer stärker und die Sicht immer schlechter. Nach knapp 2 Stunden sind wir auf etwas über 4.500 Metern Höhe. Hier machen wir die nächste Pause. Mir ist schon etwas kalt. Und noch immer liegen gut 1.000 Höhenmeter vor uns.

Oxana hat per SMS nochmal den neuesten Wetterbericht von Ihrem Chef bekommen. Sie berät sich jetzt mit Andreas wie es weiter geht.

Dann entscheiden wir den Gipfelversuch abzubrechen. Das Wetter soll immer schlechter werden und die Chance auf den Gipfel wird immer geringer unter den Bedingungen. Bei den meisten macht sich große Enttäuschung breit. Bei mir ehrlich gesagt nicht unbedingt. Unter diesen Bedingungen glaube ich nicht, dass ich überhaupt eine Chance hätte den Gipfel heute zu erreichen.

Gegen 5:00 Uhr kehren wir also wieder um. Runter geht es bekanntlich immer schneller. Wir brauchen ja auch nicht Serpentinen laufen. Uns kommen noch immer Gruppen und Pistenraupen entgegen. Doch ehrlich gesagt, glauben wir nicht, dass heute auch nur eine Gruppe unter diesen Bedingungen auf den Gipfel kommt. Später sehen wir von der Prijut 11 aus auch alle wieder sehr zeitig zurückkommen. Um diese Zeit dürfte es noch niemand bis hinauf geschafft haben.

So sind wir also bereits wieder gegen 6:00 Uhr an der Hütte. Die Sonne geht gerade über dem Kaukasus auf. Der Anblick ist wunderschön. Ich will aber nur noch aus den Sachen raus und in meinen warmen Schlafsack zum aufwärmen.

Die nächsten Stunden schlummern wir alle in unseren Schlafsäcken vor uns hin. Dann werden Entscheidungen getroffen. Hans-Gerhard, Dieter, Andreas, Uwe und ich entscheiden uns, noch heute abzusteigen. Irgendwie glauben wir nicht so recht daran, dass das Wetter wirklich besser wird und wir morgen eine Chance auf den Gipfel haben.

Die anderen Fünf der Gruppe bleiben und wollen morgen einen neuen Versuch wagen. Diesen Versuch wollen wir Ihnen auch nicht vermasseln in dem wir mitgehen und uns dann doch zur Umkehr entscheiden müssen. Davon wär ja dann wieder die ganze Gruppe betroffen.

Wir informieren unseren Guide Andreas über unsere Entscheidung. Er muss nun Gia im Tal per Telefon informieren, damit dieser uns an der Seilbahnstation abholt und uns ins Hotel zurückbringt.

Bevor wir aufbrechen, nehmen wir noch ein zweites Frühstück zu uns. Draußen wird das Wetter immer schlechter. Die Sicht ist mehr als mies.

Da die meisten in Ihren Schlafsäcken liegen können wir uns nur von Andreas verabschieden, als wir gegen 9:00 Uhr von der Prijut 11 aufbrechen. Wir wünschen Andreas und dem Rest der Gruppe alles Gute und viel Erfolg für den nächsten Versuch. Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir noch nicht, dass wir Andreas auf dieser Reise nicht mehr sehen werden.

Abstieg zu den Botschkis

Schon bald nach dem wir losgehen verschwindet die Hütte im Wolkenschleier. Wir halten uns an die Spur der Pistenraupen. So können wir den Weg trotz Null-Sicht im Prinzip nicht verfehlen. Nur manchmal zweigt auch eine Pistenraupenspur vom Weg ab. Dann müssen wir uns entscheiden. Doch alle Wege führen zu den Botschkis. Wir müssen nur darauf achten bergab zu laufen. Bergauf wär in unserem Fall die falsche Richtung.

Unterwegs treffen wir noch zwei Polen. Diese haben im Zelt in der Nähe der Prijut 11 übernachtet. Auch sie steigen ohne Gipfelerfolg wieder ab.

Je tiefer wir kommen, umso besser wird die Sicht. Irgendwann können wir auch wieder etwas erkennen. Schließlich kommen die Botschkis in Sichtweite. Nach einer Stunde kommen wir gegen 10:00 Uhr an. Jetzt ist es nur noch ein kurzer Weg bis zum Sessellift.

Dieser fährt heute noch nicht. Normalerweise nimmt er seinen Betrieb um 10:00 Uhr auf. Doch hier nimmt man es halt mit der Zeit nicht so genau. Da uns auch niemand sagen kann, ob es noch 5 Minuten oder 3 Tage dauert, bis der Lift wieder fährt, entscheiden wir uns weiter zu Fuß bis zur Seilbahnstation abzusteigen. Nochmal eine knappe halbe Stunde Fußmarsch.

Jetzt sind wir auch bereits wieder unter den Wolken. Die ersten Sonnenstrahlen erreichen uns und es wird wärmer. Die Stimmung wird gleich besser.

Als wir die Seilbahnstation erreichen, kommt gerade eine Gondel an. So brauchen wir nicht lange warten. Nichts wie rein in die Gondel und ab geht die Fahrt nach unten. Noch einmal an der Zwischenstation umsteigen und schon bald sind wir wieder im Tal.

Hier ist es gefühlte 30 Grad wärmer. In Wirklichkeit vielleicht sogar noch mehr. Die Sonne scheint.

Auf dem Parkplatz suchen wir nach Gia. Er ist aber noch nicht da. Also heißt es warten. Irgendwann dauert es uns aber zu lang. Dieter hat in seinen Unterlagen die Handynummer von Gia gefunden. Wir rufen Ihn an und 5 Minuten später ist er da.

Nach einer kurzen Fahrt sind wir bald wieder in unserem Hotel. Nichts wie raus aus den Klamotten und ab unter die Dusche. Nach etwas mehr als normaler Zeit im Badezimmer sind wir alle wieder zu Menschen geworden.

Jetzt haben wir Hunger und Durst. Ab ins nächste Restaurant und erst mal Schaschlik und ein Bier bestellt. Den Rest des Tages verbringen wir gemütlich in der Sonne und lassen es uns gut gehen. Kein Vergleich zu den Verhältnissen auf dem Berg.

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