Donnerstag, 25.09.2008
- Kibo Hütte (4.700 m) – Gillman’s Point (5.681 m) – Uhuru Peak (5.895 m) – Kibo Hütte (4.700 m) – Horombo Hütten (3.700 m), ca. 6 km von der Kibo Hütte zum Uhuru Peak, Gehzeit 7 Stunden zum Gipfel, 2 Stunden 10 Minuten zurück zur Kibo Hütte, 3 Stunden 20 Minuten zu den Horombo Hütten
Wie versprochen werden wir um 23:00 Uhr geweckt. Wir sind die ersten aus unserem Zimmer. Die Anderen wollen etwas später als wir losgehen. Wir bekommen nochmal heißen Tee und ein paar Kekse. Dann machen wir uns fertig für den Gipfelsturm.
23:50 Uhr stehen wir alle fertig, mit Stirnlampe und Trekkingstöckern bewaffnet vor der Hütte. Es sind ungefähr 7 Grad minus. Für die Gipfelnacht stehen uns 4 einheimische Guides zur Verfügung. Oliver mitgerechnet hat somit jeder aus unserer Gruppe rein theoretisch seinen eigenen Guide.
Vor und in der Hütte herrscht jetzt reges Treiben. Einige Gruppen sind schon vor uns losgegangen. Andere starten mit uns und wieder andere stecken mitten in den Vorbereitungen zum Aufbruch.
Im Lichte unserer Stirnlampen machen wir uns auf den Weg. Der Aufstieg beginnt zwischen Office und den Trägerhütten. Kabila 1 geht voran und bestimmt das Tempo. Wir alle folgen im Gänsemarsch. Ganz langsam setzen wir einen Fuß direkt vor den anderen. Im Schneckentempo erklimmen wir den Berg.
Der Geröllhang ist in der Nacht gefroren. Trotzdem machen wir 2 Schritte nach vorn und rutschen einen Schritt zurück. Oft werden wir aber auch von Gruppen überholt, die gleich danach wieder stehen bleiben und Pause machen. Dann müssen wir uns wieder auf den schmalen Trampelpfaden vorbeidrängeln. Auch wir versuchen regelmäßig Pausen zu machen und etwas Warmes zu trinken.
Nach ein paar Stunden Marsch durch die Dunkelheit erreichen wir die Hans-Meyer-Höhle auf 5.237 m Höhe. Bevor es die Kibo Hütte gab, diente diese den Bergsteigern als Schutz vor dem Gipfelaufstieg. Auch wir machen hier nochmal eine kurze Pause.
Damit der Aufstieg nicht ganz so anstrengend wird, gehen wir in Serpentinen über das Geröll. Immer wieder überholen uns Gruppen, die in einem schnelleren Tempo aufsteigen. Hoffentlich wird ihnen ihr Tempo nicht zum Verhängnis.
Petra und Kerstin geht es mittlerweile immer schlechter. Sie kämpfen sich regelrecht den Hang hinauf. Kerstin muss sich auf dem Weg mehrfach übergeben. Petra geht es nicht wirklich besser. Aber beide halten tapfer durch.
Große Lust mich nach den Sternen oder den Lichtern der Städte umzublicken, verspüre ich mittlerweile auch nicht mehr. Jede schnelle Kopfbewegung verursacht in dieser Höhe Schwindelanfälle. Der Gleichgewichtssinn ist dann sehr gestört und auf dem rutschigen Hang ist das nicht besonders lustig.
Heute erweisen uns die Trekkingstöcke wirklich sehr gute Dienste. Sie erleichtern den Aufstieg ungemein. Zum einen kann man durch sie ein noch stärkeres Abrutschen verhindern, zum anderen sind sie bei Pausen als Stützen gut geeignet. Dadurch können wir besser durchatmen und die Erholung ist viel größer.
Immer wieder schaue ich auf meinen Höhenmesser. Doch nur langsam kommen wir höher. Jedesmal wenn man denkt, jetzt müssen wir doch bald oben sein und man schaut dann hinauf, wird man enttäuscht. Man sieht über sich immer nur die Lichterketten der Stirnlampen, die sich langsam den Berg hinauf kämpfen.
Unterhalb des Gillman’s Point erreichen wir die Felsen. Jetzt beginnt teilweise auch noch eine Kletterpartie. Über die Felsen hinweg oder zwischen ihnen hindurch arbeiten wir uns weiter nach oben. Hier ist ein erfahrener Guide wichtig, damit man nicht unnütze falsche Wege einschlägt.
Im Zusammenspiel mit den Schwindelanfällen und der Felsenkletterei finde ich für mich diesen Abschnitt am schwierigsten. Erste Gedanken kommen bei mir auf, dass ich später hier ja auch wieder runter muss. Zum Glück sieht man jetzt in der Dunkelheit nicht allzu viel. Das macht für mich die Kletterei einfacher.
Plötzlich hören wir in der Dunkelheit Jubelrufe. Die ersten Gruppen sind am Gillman’s Point angekommen. Dann kann es doch auch nicht mehr so weit sein.
Nachdem wir wieder einmal über einen Felsen geklettert sind, heißt es: „Herzlich Willkommen am Gillman’s Point!” Wir können es kaum glauben. Wir haben es geschafft. Unsere gesamte Gruppe hat sich nach und nach bis zum Krater hinauf geschleppt. Auch Kerstin und Petra sind da. Glücklich liegen wir uns alle in den Armen und beglückwünschen uns gegenseitig.
Die Sonne ist noch immer nicht aufgegangen. Hier am Kraterrand herrschen Temperaturen von minus 12 Grad. Wir müssen unser Gruppenfoto am Schild des Gillman’s Point im Dunkeln schießen.
Danach folgen wichtige Entscheidungen. Petra und Kerstin entscheiden sich umzukehren. Sie haben nicht mehr die Kraft noch bis auf den Gipfel zu gehen. Deshalb machen Sie sich nach kurzer Pause mit 2 Guides auf den Rückweg.
Wir anderen wollen nicht in dieser Kälte auf den Sonnenaufgang warten. Außerdem kommen immer weitere Gruppen an und der Platz am Gillman’s Point ist nicht wirklich groß.
Also machen wir uns mit Kabila 2 und einem weiteren Guide auf den Weg zum Uhuru Peak. Am Kraterrand entlang vorbei an Felsen führt unser Weg. Dieser ist mittlerweile nicht mehr so steil und recht gut zu bewältigen. Die ersten Blicke auf die Gletscher des Kilimanjaro sind möglich. Der Weg selbst ist schnee- und eisfrei.
Langsam geht auch die Sonne auf und wir können das Farbenspiel vom Kilimanjaro aus bewundern.
Am Stella Point entscheidet sich Günter plötzlich, auch umzukehren. Er sagt, es geht nicht mehr. Für uns anderen kommt das ein bisschen unerwartet. Doch Günter kann sich selbst am besten einschätzen. Deshalb geht er mit dem zweiten Guide auch zurück.
Oliver, Thomas und ich gehen mit Kabila 2 weiter. Der Weg bis zum Uhuru Peak zieht sich jedoch ganz schön hin. Immer wieder müssen wir einen Hang hinauf laufen und hoffen, dass wir dann endlich da sind. Doch wenn wir oben ankommen, eröffnet sich bloß der Anblick auf den nächsten Anstieg.
Doch irgendwann ist es so weit. Wir können das Gipfelschild erkennen. Der Anblick ist Motivation genug, die letzten Höhenmeter zu meistern. Die Schlussmeter werden zur Qual. Das Schild vor Augen müssen wir jedoch wegen der Höhe weiterhin ganz langsam laufen.
Die ersten Kili-Bezwinger kommen bereits zurück. In Ihren Gesichtern kann man förmlich die Freude über das Erreichte erkennen. Auch mich lässt dieser Moment nicht kalt. So langsam aber sicher wird mir klar, was wir erreicht haben.
Und dann stehen wir dort, wo wir alle hin wollten. Um 7:00 Uhr erreichen wir den Uhuru Peak. Erschöpft aber glücklich, gratulieren wir uns gegenseitig zum Sieg über den Berg.
Jetzt heißt es Anstehen. Wir sind nicht die Einzigen, die Gipfelfotos machen wollen. Wir nutzen die Zeit, bis wir an der Reihe sind, ein paar Fotos von den Gletschern und dem Krater zu machen. Die Temperatur ist mittlerweile auf minus 15 Grad gesunken. Das Wasser in einer meiner Trinkflaschen ist fast völlig eingefroren. Auch das Ventil des Trinkschlauches von Thomas ist zwischenzeitlich komplett zu.
Dann sind wir dran. Oliver, Thomas und ich stellen uns vor dem Gipfelschild auf und Kabila 2 schießt die sehnsüchtig erwarteten Fotos. Dabei kommt einem schon die ein oder andere Träne.
Nach den Fotos ermahnt uns Kabila 2 zur Rückkehr. Nur wiederwillig gehen wir mit. Schon der Weg zum Gillman’s Point zurück wird einfacher. Denn bereits hier laufen wir ja bergab.
Am Gillman’s Point sehen wir eine junge Frau, die völlig erschöpft auf den Felsen liegt. Sie ist scheinbar am Ende ihrer Kräfte.
Jetzt wo die Sonne aufgegangen ist, können wir erst richtig erkennen, wo wir uns die halbe Nacht lang herauf geschleppt haben. Bei dem Anblick wird mir ganz anders. Ganz klein und gut 1.000 Höhenmeter tiefer können wir die Kibo Hütte erkennen. Vor uns liegt ein steiler Abhang. Und da soll ich runter.
Ich nehme das Angebot von Kabila 2 an, dass er für den Abstieg meinen Rucksack nimmt. Jede Erleichterung ist mir willkommen. Thomas und Oliver machen sich etwas schneller als ich auf den Rückweg. Ich lasse den Weg über die Felsen etwas ruhiger angehen. Kabila bleibt bei mir und zeigt mir immer wieder den besten Weg durch die Felsen.
Dann kommen wir an dem Lavageröllhang an. Durch die Sonne ist dieser mittlerweile aufgetaut. Dadurch liegt das Geröll nur noch lose aufeinander und ist nicht mehr so fest, wie beim Aufstieg.
Ab sofort heißt es rutschen! Durch das Geröll rutschen wir gerade den Abhang hinunter. Teilweise stehen wir fast bis zu den Knien im Geröll. Dabei müssen wir höllisch aufpassen, nicht vor große Steine zu rutschen und dadurch das Gleichgewicht zu verlieren. Sonst könnte man ganz leicht den Hang hinunterrollen.
An der Hans-Meyer-Höhle warten Oliver und Thomas auf uns. Hier machen wir nochmal kurz Pause und trinken etwas. Dann geht’s aber auch schon weiter.
Immer weiter geht es über das Geröll den Abhang hinunter. Der Abstieg geht gewaltig in die Beine. Doch irgendwann haben wir es geschafft. Gegen 9:10 Uhr kommen wir wieder an der Kibo Hütte an. Nachdem wir für den Aufstieg bis zum Uhuru Peak 7 Stunden gebraucht haben, haben wir den Abstieg in 2 Stunden 10 Minuten gemeistert.
Im Zimmer erwartet uns Günter. Kerstin und Petra liegen in Ihren Schlafsäcken und schlafen den Schlaf der Gerechten.
Von Günter erfahren wir, dass die 2 deutschen Paare aus unserem Zimmer schon auf dem Rückweg zur Horombo Hütte sind. Sie mussten alle spätestens bei 5.300 m umkehren. Die Höhe hatte ihnen zu sehr zu schaffen gemacht.
Jetzt haben wir aber erst einmal 2 Stunden Ruhepause. Wir können die Zeit zur Erholung sowie zum Sachen packen nutzen. Zu Essen bekommen wir auch noch etwas. Das lasse ich jedoch aus. Nach der Einnahme meiner Malariatablette mit Saft auf leeren Magen geht es mir nicht so gut. Nach ein paar Minuten kam die Tablette wieder zum Vorschein. Sie liegt jetzt vor der Kibo Hütte im Dreck.
Nachdem wir alle unsere Sachen gepackt und die anderen noch etwas gegessen haben, machen wir uns gegen 11:00 Uhr auf den Rückweg zu den Horombo Hütten.
Wir nehmen wieder die leichtere Lower Route. Der Abstieg geht wesentlich schneller als gestern der Aufstieg zur Kibo Hütte.
Irgendwann überholt uns Kabila 1. Er geht vor um wieder eine Hütte für uns zu reservieren. Nachdem wir für den Aufstieg gestern noch fast 6 Stunden gebraucht haben, sind wir in 3 Stunden und 15 Minuten zurück zu den Horombo Hütten gelaufen.
Mit jedem Höhenmeter, den wir tiefer kommen, wird das Atmen und laufen einfacher. Jeder aus unserer Gruppe geht sein eigenes Tempo. Verlaufen können wir uns ja nicht wirklich. Gegen 14:15 Uhr komme ich kurz nach Thomas und Oliver an. Günter, Kerstin und Petra folgen kurz nach mir.
Kabila hat wieder die Hütte Nr. 41 für uns gesichert. Unsere Sachen sind auch schon da. Die beiden Kabilas, Günter und ich stoßen mit einem Kilimanjaro Bier auf unseren Erfolg an.
Heute gibt es auch wieder sehr zeitig Abendessen. Von der langen Gipfelnacht sind wir alle sehr geschafft. Deshalb liegen wir auch bereits gegen 19:30 Uhr in den Schlafsäcken. Sehr schnell sind alle eingeschlafen.
Am nächsten Morgen erzählen sie mir, dass sie in der Nacht in der Hütte noch auf Mäusejagd gegangen sind. Die Maus hat sich wohl über unsere Power-Riegel hergemacht. Von alle dem habe ich nichts mitbekommen. Ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen.