Montag, 27. Januar 2014

3:00 Uhr ist die Nacht zu Ende! Jemand klopft an unser steifgefrorenes Zelt! Zeit aufzustehen. Willkommen im Urlaub! Im Mannschaftszelt bekommen wir heißen Tee, Kekse und das allseits beliebte Porridge zum Frühstück. Viel Porridge bekomme ich jedoch nicht herunter. Ich begnüge mich mit Keksen und Tee. Am Inneren der Zeltplane hat sich eine Eisschicht gebildet. Die Aufregung und Anspannung ist bei jedem Einzelnen spürbar angewachsen. Viel gesprochen wird nicht.

Durch die Western Breach zum Uhuru Peak und Crater Camp

Gegen 4:00 Uhr gibt Jimmy das Startsignal. Nun liegen nur noch 4 Kilometer Weg, etwas mehr als 1.000 Höhenmeter und die Western Breach zwischen uns und dem Gipfel des Kilimanjaro. Eine Kleinigkeit! Wir haben uns vorgenommen, diese Kleinigkeit in 7 Stunden hinter uns zu bringen. Mal sehen was der Berg dazu meint!

Im Schein unsere Stirnlampen geht es bei milden minus 4 Grad Celsius die ersten Höhenmeter in Serpentinen über ein Geröllfeld hinauf. „Pole, pole“ ist auch heute die Devise. „Langsam, langsam“ laufen wir unseren Guides hinterher.

Immer wieder queren wir teilweise stark vereiste Schneefelder oder müssen in diesen aufsteigen. Gerade noch so können wir den weiteren Weg ohne Steigeisen wagen. Jeder von uns kämpft mit der Höhe. Jeder Schritt eine Qual, jeder Meter eine neue Herausforderung.

Kurz nach 6:00 Uhr geht die Sonne auf. Die ersten Strahlen treffen auf unsere Gesichter. Das erste Tageslicht gibt den Blick auf den weiteren Weg frei. Oh Mann! Vor uns geht es noch immer steil bergauf. Die anstrengendsten Passagen liegen noch vor uns. Regelmäßig machen wir kurze Pausen. Schnell einen Schluck heißen Tee trinken, einen Stück Powerriegel zu sich nehmen und schon geht’s weiter. Nur nicht in der Kälte zu lange stehen bleiben.

Langsam aber sicher gewinnen wir an Höhe, sind aber noch längst nicht am Ziel. Wir kommen in die steilsten Abschnitte der Gipfeletappe. Über große Felsstufen steigen wir weiter auf. Ohne guten Guide kann man sich schnell auch mal versteigen und steckt in einer Sackgasse. Jimmy und seine Jungs aber haben alles fest im Griff.

Nach Sonnenaufgang wird die Gefahr des Steinschlages immer großer, da die in der Nacht gefrorenen Steine sich langsam wieder lösen und locker werden. 2006 wurde die Western Breach nach einem Steinschlag mit mehreren Toten und Verletzten lange Zeit gesperrt und ist nun auch nur mit einer Sondergenehmigung zu begehen.

Irgendwann erreichen wir die letzte Steilwand in der Western Breach. Überall sehen wir gefrorene Wasserfälle. Mit letzter Kraft kämpfen wir uns die Stufen hoch und plötzlich stehen wir auf dem Plateau.

Das Ziel unserer Träume haben wir aber noch lange nicht erreicht. Der Gipfel liegt noch einmal 160 Meter über uns. Wir laufen über das Plateau bis zum Krater Camp. Dort führt eine steile, schneebedeckte Felsflanke hinauf zum Gipfel. Wir möchten das gute Wetter ausnutzen und beschließen deshalb ohne große Pause direkt weiter aufzusteigen. Diese letzten Höhenmeter haben es noch einmal in sich.

160 Höhenmeter. Das klingt nicht viel. Auf 5.700 Meter Höhe sieht das aber schon anders aus. Der Aufstieg ist steil und komplett verschneit. Jeder schnauft und kämpft für sich allein. Ich versuche an Jimmy und Oliver dranzubleiben. Die Taktik geht auf.

Irgendwann haben wir auch diesen Anstieg hinter uns gebracht. Nach Luft ringend stehen wir da. Nur noch eine leicht ansteigende flache Ebene trennt uns von Gipfel. Oliver und ich warten auf Petra und Michael. Die Beiden sind kurz hinter uns. Gemeinsam wollen wir die letzten Meter zum Gipfel gehen.

Dann ist es soweit! Um 10:45 Uhr erreichen wir das Ziel unserer Träume. Glücklich, aber ziemlich fertig stehen wir am Gipfel. Wir liegen uns in dem Armen und gratulieren uns gegenseitig. Wir können es noch gar nicht richtig glauben, dass wir es geschafft haben.

In kleinen Abständen folgen die restlichen Teilnehmer unserer Gruppe. Michael und Moni, Marion, Guido, unser dritter Michael und Edi. Alle haben es geschafft. 100 Prozent Gipfelerfolg am Kilimanjaro.

Auch unsere Guides sind überglücklich. Der Weg durch die Western Breach ist auch für sie etwas ganz Besonderes und trotz ihrer zum Teil über 100 Gipfelerfolge nicht alltäglich.

Schnell werden die Gipfelfotos geschossen. Plötzlich stehen unsere Guides nur noch in Unterhosen da. Auch sie wollen ihr Gipfelfoto. Scheinbar ist ihnen beim Aufstieg warm geworden.

Wir wollen gar nicht wieder weg. Wir genießen den Ausblick auf die Gletscher und den berühmten „Schnee am Kilimanjaro“. Zu dieser Zeit sind wir fast allein am Gipfel. Nur eine andere kleine Gruppe von 2 Personen kommt noch an.

Beim meinem ersten Gipfelerfolg waren wir um 7:00 Uhr mit dutzenden anderen Gipfelstürmern unterwegs. Ein weiterer Vorteil der Übernachtung im Kratercamp. Wir müssen nicht so zeitig am Gipfel sein, da wir heute ja nicht mehr absteigen müssen.

Langsam ziehen Wolken auf. Wir haben schon damit gerechnet, da sich in den letzten Tagen immer um die Mittagszeit Wolken am Gipfel gezeigt haben.

Nach einem ausgiebigen Gipfelaufenthalt steigen wir über den Stella Point wieder hinunter zum Kratercamp. Gegen 13:00 Uhr kommen wir im Camp an. Von unseren Trägern und den Zelten ist jedoch noch nichts zu sehen. Völlig fertig lassen wir uns auf Felsen oder im Lavasand nieder. Einige schlafen auf der Stelle ein.

Unsere Träger haben heute den mit Sicherheit schwierigsten und gefährlichsten Tag der Tour und sind noch immer in der Western Breach unterwegs.

Ein paar Stunden später kommen die ersten 2 Träger. Plötzlich macht das Gerücht die Runde, ein Träger sei in der Western Breach abgestürzt. Unsere Guides steigen deshalb wieder in die Route ein um nachzusehen was passiert ist und den Trägern zu helfen.

Wir warten im Camp und hoffen das Beste. Zwischenzeitlich hat es zu schneien angefangen. Viele von uns haben sich in die 2 vorhandenen Zelte zurückgezogen. Bis die restlichen Zelte da sind, warten Michael und ich in dem Küchenzelt einer weiteren Gruppe im Camp. Dort sind wir vor Wind und Kälte geschützt und bekommen zum Aufwärmen einen heißen Tee.

Am späten Nachmittag sind schließlich alle Träger und somit die restlichen Zelte da. Die Guides berichten uns, das der verletzte Träger vom Berg heruntergebracht werden muss und deshalb alles ein bisschen länger gedauert hat. Soweit soll es ihm aber den Umständen entsprechend gut gehen.

Zum Sonnenuntergang gehen wir nochmal an den Rand des Plateaus. Der Blick auf unsere Aufstiegsroute hinunter raubt uns zusätzlich in der dünnen Höhenluft den Atem. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen und das Farbenspiel der untergehenden Sonne am Berg und auf den Gletschern.

Sobald die Sonne weg ist wird es ungemütlich. Die Temperaturen sinken weit unter den Gefrierpunkt. In dieser Nacht haben wir im Zelt minus 4 Grad Celsius.

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